Die Geschichte unserer Gruppe beginnt im Jahre 1933, in unserem Heimatbezirk Simmering, in dem bis zu diesem Zeitpunkt nur eine Pfadfindergruppe besteht, die nun nach Pfarrgrenzen geteilt wird. Ein Teil davon wird der Pfarre Alt-Simmering und Hasenleiten zugeteilt und erhielt am 1. September 1933 unter der Leitung eines gewissen Johann Petrak die Gruppennummer 71. Die zu diesem Zeitpunkt 35 Mann starke Gruppe beginnt am 1. Oktober ihre pfadfinderische Arbeit, unterstützt durch Pfarrer Thurnherr von Hasenleiten, der die Kuratenstelle übernimmt.
Auf Grund der politischen Ereignisse des Jahres 1934 (Verhängung des Standrechts) muss der Heimbetrieb für kurze Zeit unterbrochen werden, doch schon 1935 erhält unsere Gruppe zum Georgstag ihre erste eigene Gruppenfahne und die Gattin des Bundesministers Jakonczig übernimmt die Patronanz über unsere Gruppe.
Im sogenannten „Jubeljahr“ 1936 wird das 10-jährige Bestehen des österreichischen Pfadfinderkorps „St. Georg“ gefeiert und im Jahr darauf, 1937, wird nicht nur im Rahmen des Georgstages der „Tag der Flagge“ eingeführt, sondern auch anlässlich des Paulustages die erste Roverrotte unserer Gruppe gegründet.
So schnell das Simmeringer Pfadfindertum sich entwickelte, desto überraschender wurde dem jäh Einhalt geboten, als am 13. März 1938 durch den Rundfunk die Auflösung des ÖPK „St. Georg“ bekannt gegeben wird, nachdem deutsche Truppen in Österreich einmarschiert waren und alle Heime gesperrt werden mussten. In den Kriegsjahren 1939 bis 1945 konnten daher nur inoffizielle und zivile Treffen stattfinden. 1941 erfährt Feldmeister Petrak in französischer Kriegsgefangenschaft durch einen britischen Radiosender vom Tode Baden-Powells und gibt diese Nachricht mittels Feldpostkarte an die Simmeringer Pfadfinder weiter.
Am 10. März 1946 treffen sich, erstmals nach der Wiederherstellung Österreichs, ehemalige Mitglieder unserer Gruppe im ausgebombten Heim und vollziehen die feierliche Wiederbegründung der Gruppe, im Gedenken an sechzehn in den Kriegsjahren gefallenen Pfadfinderbrüder. Nach dem Verlust des Pfadfinderheims 1947, der Abhaltung des ersten eigenständigen Sommerlagers 1948 und Feierlichkeiten anlässlich des dreijährigen Wiederbestehens erhält unsere Gruppe 1950 wieder ein eigenes Heim im Hause Simmeringer Hauptstraße 142-150, welches bis zum heutigen Tage das Unsrige geblieben ist.
1951 wird in Bad Ischl das 7. Weltjamboree abgehalten, an dem sich unsere Gruppe im Zuge des Sommerlagers beteiligt, jedoch wird dieses Jahr durch den Tod unseres bisherigen Kuraten, Pfarrer Thurnherr, überschattet.
Die Gründung einer neuen Gruppe mit der Nummer 73 im Simmeringer Bezirksteil Kaiserebersdorf schafft 1952 die Grundlage zur Bildung einer eigenen Kolonne, wodurch 1953 erstmals ein Patrullenwettkampf im Rahmen der Kolonne 11 durchgeführt werden kann. Ein Jahr später, 1954, wird unserem Kornetten Günter Langmann als erstem Simmeringer Pfadfinder der „Buschmannsriemen“ verliehen und kurz darauf wird er 1955 zum „Georgsritter“ geschlagen, und ist somit der erste Träger dieser Auszeichnung unserer Gruppe.
Die folgende Dekade, nämlich die Jahre 1956 bis 1966, sind geprägt durch für unsere Gruppe wichtige Begebenheiten und pfadfinderisches Schaffen. Nicht unerwähnt möchten wir daher folgende Ereignisse, die (auch) unsere Gruppe betrafen, lassen:
Die nächsten sieben Jahre, 1967 bis 1973, stechen besonders durch ihre rege und unermüdliche Pfadfinderarbeit und weniger durch größere Ereignisse hervor. Ein Erfolg jagt den anderen und wir möchten behaupten, dass jene Jahre wohl die Hochblüte in Bezug auf die Zielsetzungen unserer Gruppe waren. Details würden sich nun am Rande verlieren, doch wenn man die steigenden Mitgliederzahlen in Betracht zieht, so kann man durchaus von einer sich abzeichnenden „Hochkonjunktur des Pfadfindertums“ sprechen.
Nicht zu vergessen wären an dieser Stelle jedoch zu erwähnen, dass 1971 Ing. Manfred Mautner-Markhof die Patronanz über unsere Gruppe übernahm und, dass wir 1969 nach langer kuratloser Zeit einen Priester in der Person von Kaplan Leopold Strandl für uns gewinnen konnten (welcher uns bis zu seinem Tode im Jahr 2014 als Kurat begleitete).
Und schon befindet sich unsere Gruppe in den „Siebzigern“, in denen unsere „Akela“ 1974 die „Goldene Lilie“ verliehen bekommt, drei unserer Pfadfinderbrüder 1975 am 14. Weltjamboree in Norwegen teilnehmen, die Weltpfadfinder 1977 den Tod Lady Olave Baden-Powells (Begründerin der Pfadfinderinnen) zur Kenntnis nehmen müssen, unsere Gruppe 1978 ihr 45-jähriges Bestehen feiert, und unser Gruppengründer Johann Petrak 1979 nach jahrzehntelanger Führung aus dem Amt scheidet und sein Lebenswerk in die Hände von Leopold Longauer legt.
1980 beteiligt sich unsere Gruppe an einer vom Landesverband organisierten Pfadfinderfirmung, gratuliert 1981 ihrem Kuraten zum 25-jährigen Priesterjubiläum und beteiligt sich 1982 an einer Aktion, die nach Süditalien führt, um an die dortigen Erdbebenopfer Geschenke zu überreichen. Im Zuge des österreichischen Katholikentages besuchte Papst Johannes Paul II 1983 Wien, und wir, die „71er“, waren natürlich dabei. Den ersten Platz konnte unsere Gruppe bei einem Wettbewerb 1984 mit ihrem Trommelzug, der seit wenigen Jahren bestand, erringen, und nach den Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag unseres Alt-Gruppenleiters Petrak war der Höhepunkt des Jahres 1985 ein beeindruckendes Auslandssommerlager in den Niederlanden.
Ob man es auf geburtenschwache Jahrgänge zurückführen kann oder nicht sei dahingestellt, jedenfalls zeichnet sich in den Jahren 1986 bis 1990 ein Mitgliederschwund bei den Jugendorganisationen Österreichs ab und somit auch in unserer Pfadfindergruppe, sodass jene vier Jahre ausschließlich für pfadfinderische Aufbauarbeit verwendet werden und sich weniger durch irgendwelche großartigen Ereignisse auszeichnen. Ausgenommen ist der Wechsel an der Gruppenspitze: GFM Bruno Paschinger gibt sein Amt aus familiären Gründen an den FM Anton Swoboda weiter, und 1988 wird eben dieser abgelöst.
Am 30. August 1991 stirbt Alt-Gruppenfeldmeister Johann Patrak. Ein Freund und großer Pfadfinder, eine Simmeringer Legende. Er wird am 9. September auf dem Wiener Zentralfriedhof bestattet.
Zwei Neuerungen erfährt unsere Gruppe dann im Jahr 1992. Erstmals wird von Alt-Pfadfindern eine Gilde, die den Namen „Johann Petrak“ trägt, gegründet, sowie eine regelmäßig erscheinende Gruppenzeitung mit dem Namen „71er-Express“ ins Leben gerufen.
Ein internationales Taizé-Treffen in Wien, bei dem Jugendliche aus Polen, Lettland und Litauen in unserem Heim untergebracht werden, und ein Besuch beim Namensgeber unserer Gruppe, des Unternehmens Mautner-Markhof, prägen das Jahr 1993. Voller Stolz dürfen wir in diesem Jahr auch unserer „Akela“ Hermine Kloibhofer zu Erhalt des Stephanusordens gratulieren, den sie im erzbischöflichen Palais von Kardinal Hans Hermann Groer verliehen bekommt.
Das folgende Jahr, 1994, steht dann ganz im Zeichen der 60-Jahr-Feier unserer Gruppe, die mit einer Ausstellung in Hasenleiten und einem Kolonnen-PWK in Simmering begangen wird. Die Einführung neuer Uniformen durch die PPÖ, die Beteiligung an der Bethlehemslichtaktion und die Investiturfeier unserer Gilde im Beisein der Partnergilde „Markgraf Leopold“ sind die Ereignisse des Jahres 1995.
1996 übt sich unsere Gruppe im Adventkranzbinden, bei einem Kegelturnier und bei einem Hallenfußballturnier und gratuliert unserem Kuraten Leopold Strandl zu seinen Jubiläen: 40 Jahre im Priesteramt und 25 Jahre Landeskurat.
Neue Freundschaften werden dann 1997 geschlossen, bei einem Auslandssommerlager der Gruppe in Kroatien und beim Eurofolk der RaRo in Belgien. Die nächsten fünf Jahre, 1998 bis 2003 bringen nicht nur einige Wechsel in der Gruppenführung mit sich, sondern auch der Aufbruch unserer Gruppe in ein neues Jahrtausend, und Veränderungen dieser Jahre in den Bereichen Gesellschaft, Medien und Lebensanschauung fordern von uns neue Wege zu gehen. Das versuchen wir auch – wir, die Pfadfindergruppe 71 – und gehen unseren Weg im Bewusstsein, eine große Vergangenheit und stolze Gesinnung zu haben, und dieser Umstand wird unserer Gruppe auch in Zukunft das Motto weisen: Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder!
(Text von Oliver Fincenc, geschrieben zum 71-jährigen Jubiläum der Gruppe)
Als Gärtnersohn am 24. Dezember 1905 geboren, war ihm die Liebe zur Natur schon in die Wiege gelegt worden. 21-jährig zog die Pfadfinderbewegung ihn in ihren Bann. Als Gruppenfeldmeister zog er 1933 in ein Kämmerlein bei der Gärtnerei Kurzmann in der Kaier-Ebersdorfer Straße 61 mit seiner ersten Bubengruppe ein. Die Kinder kamen in Scharen, und bald musste er die Gruppe nach Pfarren teilen. So wurde er zum Stammvater aller Simmeringer Pfadfindergruppen. Der 10-jährige Bestand des St. Georgs-Pfadfinderkorps wurde in Laxenburg mit einem internationalen Lager gefeiert, wo er Zelt an Zelt mit Prinz Emanuel von Liechtenstein lagerte, mit dem ihn seit damals eine lebenslange Freundschaft verband.
1938 wurde die Pfadfinderbewegung aufgelöst, und alles, was geschaffen worden war, fiel an den Staat. Ungebrochen begann Petrak am 10. März 1946 mit der Renovierung des Heimes und nahm 140 Tage später den Heimabendbetrieb wieder auf. Wie schon 1933 kamen auch jetzt die Kinder in Scharen, neuerlich wurde die Gruppe geteilt. Viel Unterstützung hatte Johann Petrak in seiner Gattin Hermine, die ihm vier Kinder großzog und diesen oft den Vater ersetzen musste, wenn der Feldmeister mit seinen Buben auf Lager war.
Am 12. März 1950 bezog er sein neues Heim in der Simmeringer Hauptstraße 142-150 (Stiege 10), wo die Pfadfindergruppe 71 auch heute noch Mädchen und Buben ab 7 Jahren willkommen heißt. Eine Altersgrenze nach oben gibt es nicht. Denn einmal Pfadfinder – immer Pfadfinder. Erst 75-jährig zog er sich aus der aktiven Jugendarbeit zurück. Bis zuletzt lagerte er im Zelt. Auch in der Lagerküche war er unübertroffen. So mancher heute schon reife „Bub von damals“ träumt noch von „seiner Gurkensauce“.
Es war ihm vergönnt, zweimal bei internationalen Treffen (World Scout Jamborees) den Chief-Scout Lord Baden-Powell zu treffen. 60 Jahre seines Lebens hat Johann Petrak unermüdlich der Jugend gewidmet. Am Montag, dem 9. September 1991 nahmen viele Simmeringer Abschied vom plötzlich verstorbenen Johann Petrak und begleiteten ihn auf seinem letzten Weg auf den Wiener Zentralfriedhof.
Die in der Neusimmeringer Kirche 1980 geweihte Fahne der Kolonne XI sowie die 1992 gegründete Pfadfindergilde tragen seinen Namen der so eng mit den Simmeringer Pfadfindern verbunden ist. Die Früchte seines Wirkens bleiben auch über seinen Tod hinaus erhalten und werden von Generation zu Generation weitergetragen.
„Mein Papa war schon beim Petrak Pfadi“ ist eine bekannte Aussage unserer Jugend, und schon bald wird es heißen: „Mein Opa war schon beim Petrak…“
hier ein Brief von Johann Petrak vom 30.9.1933
Text von Hannelore Stehlik, geschrieben zum 71-jährigen Jubiläum der Gruppe
Hier seht Ihr, wo die Gruppe 71 schon überall auf Sommerlager war:
Auf folgenden World Scout Jamborees waren wir 71er vertreten: